Der Schmierlappen

AEFFCHEN_GROSSSchwarze, nach hinten gegelte Haare, ein Hemd mit Halskettchen, eine eng ansitzende Jeans mit einem Markengürtel und Lackschuhe inklusive Spitze. So Sieht wohl der typische Schmierlappen von Mann aus. Und so sah auch eines meiner schlimmsten Dates aus! Da meine Tante einen großen Kundenstamm besitzt, traf ich eines Tages auf eine unnatürliche, aufgespritzte aber dennoch nette Frau, die mich ganz bezaubernd fand und mir die Handynummer ihres Sohnes gegeben hat. Ich Langzeitsingle hatte nichts zu verlieren und hab mich natürlich bei ihm gemeldet. Kurzfristig verabredeten wir uns zum Essen. Eines muss man ihm lassen: er war ein richtiger Gentleman. Er ist eine halbe Stunde gefahren um mich abzuholen und um dann in ein Restaurant in seiner Heimatstadt zu fahren. Jawohl, so mag ich das!

Als er dann da war, öffnete ich die Tür und vor mir stand ein, wie eben beschriebener, Schmierlappen. Ein recht kleiner Schmierlappen. Ein Typus: Francesco… der sich allerdings Kevin nannte. Da hat Botoxmutti ganze Arbeit geleistet! „Gott sei Dank bist du nicht so groß!“ waren seine ersten Worte. Ein kleiner Mann mit Minderwertigkeitskomplexen, das wird ein schöner Abend!

In seinem Auto angekommen, schenkte er mir ein italienisches Kochbuch, in das ich bis heute nicht reingeschaut habe. Nette Geste. Aha – ein Mann der auf die klassische Rollenverteilung steht.  Schokolade hätte aber auch gereicht. Nach einem wirklich kurzen Smalltalk präsentierte Kevin mir direkt sein tragisches Schicksal: Er hat sich beim Fußball tatsächlich die Hand geprellt, wenn nicht sogar gebrochen. Nichts wissend über den Mann hörte ich mir seine emotional ausgeschmückte Geschichte an und versuchte so interessiert wie möglich zu wirken. Der blaue Verband schrie förmlich nach Aufmerksamkeit. Er litt unter großen Schmerzen, wenn er schalten musste – in den Rückwärtsgang – seines Automatikwagens. Natürlich spielte ich die besorgte Frau, innerlich war ich von seinem Geheule jetzt schon genervt.

Im Restaurant angekommen, wollte der Gute mir direkt einen Champagner bestellen. „Wasser reicht mir vollkommen.“  Dort habe ich schon gemerkt, dass wir in zwei unterschiedlichen Welten leben. Er war ebenfalls der Typ Mann, der sich sehr gerne selbst reden hörte und sich dazu noch bestmöglich präsentieren wollte. Ein Beispiel: „ Ich spiele ja Fußball. Ich stehe total auf diesen Teamsport. Ich bin so teamfähig.“ Auf meine Antwort, dass ich lieber alleine im Fitnessstudio trainiere, war er zunächst sprachlos.  Die Vorstellung, wie der Kleine mit Tippelschritten dem Ball hinterher rennt und sich ganz teamfähig die Hand prellt, bringt mich zum Lachen. „Viele Leute schätzen mich total falsch ein, die denken ich bin so oberflächlich, materiell und schikimiki. Aber mir ist es halt wichtig, wie ich aussehe. Und ich sehe, du achtest auch sehr auf dein Äußeres. Das gefällt mir.“ Hallo? Bin ich ein Oskar mit dem man sich präsentieren kann?! Plötzlich stand Mr. Wichtig auf, ging und telefonierte – natürlich geschäftlich.  Verzweifelt übermittelte ich der Frau vom nächsten Tisch SOS Zeichen – vergeblich! Schrecklich fand ich ebenfalls den Moment, als er irgendwelche Thesen über mich aufstellte und mich genau falsch einschätze, sich aber ziemlich sicher war, dass er Recht hatte. Im Gespräch erzählte ich ihm natürlich auf etwas über mich wie zum Beispiel, dass ich mal ein Pferd hatte und mir bei einem Sturz das Schlüsselbein gebrochen habe. Eine kurze Gesprächspause wurde dann mit „der schmerzenden Hand“ überbrückt, bis er sagte: „Boar ich hatte mal einen Schlüsselbeinbruch. Ohne Witz, es gibt nichts Schlimmeres als diese Schmerzen! Ich konnte nicht mal mein T-Shirt ausziehen, das kannst du dir nicht vorstellen!“ What the fuck?! Mr. Ich-rede-nur-von-mir-und-kann-nicht-zuhören. Meine Antwort: „Ohje du Armer, diese Schmerzen will ich nicht haben.“ Kellner! Die ganze Flasche Schampus bitte! Im Verlauf des Gesprächs fragte er mich dann: „Hattest du schon einmal ein Tier?“ Hat er nicht gesagt!

Innerlich war das Date gelaufen. Also sind wir auch recht schnell, nachdem er die Rechnung zahlte, abgehauen. Zuhause angekommen, schrieb ich meiner Tante direkt was für ein Lackaffe Kevin ist. Ich versuchte den Kontakt im Sande verlaufen zu lassen, aber nachdem ich mitten in der Nacht von dem Schmierlappen eine Nachricht bekommen habe mit: „ Hi Mausi, muss gerade an dich denken. Freue mich schon total auf dich!“, hab ich ihm direkt gesagt, dass ich nicht mehr interessiert bin.

Fazit: Gentleman hin oder her, wer allerdings nur von sich selber reden kann und nicht zuhört, kann seine Geschenke zuhause lassen.

Eure Brownie

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